Historisches

Der nachfolgende Artikel erschien in der Festschrift anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Bismarckschule (Nettelmann und Rümelin, 2009, S. 76):

Im Keller der Bismarckschule strahlen Sterne! Wie kommt die Bismarckschule eigentlich zu einem Planetarium?
von Karl-Peter Schwien und Dirk Brockmann-Behnsen

Die Idee eines Planetariums für die Bismarckschule entstand am 7. September 1959. An diesem spätsommerlichen Tage besuchte Wolfgang Tscharntke mit seiner 13mf im Rahmen einer Klassenfahrt das Olbers-Planetarium der Seefahrtschule Bremen, deren Leiter Dr. Erwin Mücke Wolfgang Tscharntke bekannt war. Wäre es möglich, ein solches Planetarium auch in der Bismarckschule einzurichten? Diese Frage trug Wolfgang Tscharntke dem Schulleiter Karl Kolde und seinem Kollegen Karl-Peter Schwien vor. Direktor Kolde war an astronomischen Fragen sehr interessiert (er verfasste später das Heft „Astronomie“ in der Reihe Studienbücher des Diesterweg-Salle-Verlags), Karl-Peter Schwien betreute die Sternwarte der Schule, die seit dem 19. Februar 1957 mit der Rückkehr des reparierten Fernrohrs zu neuer Aktivität erwacht war. Der glückliche Umstand, dass damals die Bismarckschule an das städtische Heizkraftwerk angeschlossen werden sollte, führte zu dem Gedanken, den frei werdenden Heizungs- und Kohlenkeller als Planetarium zu nutzen.

Schon am 19. Oktober 1959 fuhren die Herren Kolde, Schwien und Tscharntke gemeinsam erneut zur Seefahrtschule nach Bremen, um sich genauer zu informieren. An dem Gespräch nahm neben Dr. Mücke auch der Leiter der Bremer Olbers-Gesellschaft Dr. Walter Stein teil, dessen Engagement für die Astronomie an der Schule ansteckend war. Auf der Rückfahrt von Bremen war man sich einig: Wir setzen alle Hebel in Bewegung, den Planetariumsgedanken zu realisieren.

Zurück in Hannover konkretisierten die Lehrer diesen kühnen Plan. Direktor Kolde konnte zunächst den damaligen Stadtschulrat Oppermann und andere maßgebliche Herren von Stadt und Schulverwaltung für den Plan gewinnen. Es begann der mühevolle Weg, den Plan in die Wirklichkeit umzusetzen; schließlich ging es auch um viel Geld.

Am 11. Januar des folgenden Jahres versammelten sich Vertreter der Volkshochschule Hannover, der technischen Hochschule und der Bismarckschule im Dienstzimmer des Schulleiters, um über den Bau eines solchen Kleinplanetariums zu beraten. Der Plan fand ungeteilte Zustimmung und so wurde das Schulamt gebeten, den Raum im Heizungskeller für seine neue Bestimmung freizuhalten. Das Projekt wurde in der Folgezeit genau umrissen, Angebote wurden eingeholt und dem Schulamt übermittelt. Im September 1961 erfolgte dann die Genehmigung, im Oktober wurde bei der Firma Jenoptik in Jena ein Projektor des Typs ZKP1 zum Preis von DM 32.950 bestellt. Die Gesamtkosten wurden auf DM 60.000 angesetzt. Dazu kamen Kosten für die Renovierung der Vorräume, durch die die Planetariumsbesucher den Sternenraum später betreten sollten, in Höhe von DM 19.000. Die Umbauten gestalteten sich aufwändig: Es zeigte sich beispielsweise, dass die Raumhöhe etwa einen halben Meter zu niedrig war. Die an sich kluge Idee, den Boden um dieses Maß abzusenken, hatte den Nachteil, dass man unter die Grundwassermarke geriet und der Raum sich mit Wasser füllte. Nachdem all diese baulichen Probleme gelöst waren, konnte in der Zeit zwischen dem 18. und dem 22. Januar 1963 der Planetariumsprojektor integriert werden. Der am 18. Februar geladenen Presse indes kam dieser Projektor noch reichlich eigentümlich vor:

In der Mitte des Raumes stand ein überdimensionaler Blumentopf mit einem kakteenartigen Auswuchs aus Rohren, Handrädern, Stangen und Schaltkästen, der sich an der Spitze zu einem knollenförmigen Gebilde erweiterte. Das Gebilde, das sich ungefähr in Huthöhe des Besuchers befand, war mit zahlreichen gleichmäßigen Stacheln übersät, die sich nachher aber als Objektive erwiesen. …es war ein Planetarium“.

So war es am folgenden Tag in der HAZ zu lesen. Am dritten April wurde das Planetarium durch den Besuch von Ministerpräsident Diederichs geehrt, am 25. Mai folgte die feierliche Einweihung. Damit wurde die Bismarckschule zum bundesweit ersten Gymnasium mit einem eigenem Planetarium. Erster Leiter wurde Karl-Peter Schwien, dem es in der Folgezeit gelang, das Sternentheater zu einem echten Publikumsmagneten zu machen: Bei bis zu acht wöchentlichen Veranstaltungen besuchten im Schuljahr 1964/65 beispielsweise über 50% der hannoverschen Volksschulklassen das Planetarium.

Der Idee, diese einzigartige Einrichtung allen Schulen der Stadt Hannover und der Region offen zu halten, ist die Bismarckschule bis heute verpflichtet. Derzeit zählt das „Planetarium Bismarckschule Hannover“ bei etwa 130 jährlichen Veranstaltungen um die 2600 Gäste. Über vierzig Jahre nach seiner Einweihung profitieren die Schülerinnen und Schüler ebenso wie alle anderen Gäste also noch immer von den großen Mühen der Kollegen bei der Schaffung des Planetariums in den sechziger Jahren und von den außerordentlichen Investitionen in der damaligen Zeit.

Nettelmann, L. & Rümelin, H. (Hrsg., 2009). Zeitschnitte, Jahrbuch und Dokumentation. Sonderausgabe der Schulzeitung der Bismarckschule. Hannover
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Leiter des Planetariums Bismarckschule Hannover

Das hannoversche Großplanetarium im Anzeiger-Hochhaus
von Dirk Brockmann-Behnsen

Jedem, der in Hannover durch das Steintorviertel geht, fällt dieses einzigartige Gebäude auf. Es besteht im wesentlichen aus einem riesigen, filigran verzierten Backsteinquader mit einer aufgesetzten Halbkugel. Entworfen im Stil des Expressionismus hat das 59 Meter hohe Haus kein Geringerer als Fritz Höger, der unter anderem durch den Bau des Chilehauses in Hamburg bekannt geworden ist. Das Gebäude wurde im Jahre 1928 fertiggestellt und diente ursprünglich als Verlagsgebäude für einen der größten deutschen Zeitungsverlage. Um den öffentlichen Charakter eines Zeitungsverlages zu verdeutlichen und gleichzeitig dem Anspruch der Volksbildung gerecht zu werden, erdachte man sich für die Nutzung des Gebäudes eine interessante Erweiterung: Unter dem Dach sollte ein Planetarium installiert werden. Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bereits neun Planetarien, aber eben keines in solcher Höhe. Poetisch heißt es in der Festschrift für das Hochhaus:

„Unten die Rotationsmaschine und oben der Sternenhimmel – das ist keine Kombination des Zufalls. Diese Verbindung ist ebenso glücklich wie sinnfällig. Das Flüchtige und das Ewige sind wunderbar geeint. Die Kuppel der Zeitlosigkeit wölbt sich über der jagenden Arbeit der Stunde“.

August Madsack, Chef des Verlags, fasste die Aufgabe des von ihm geschaffenen Bildungsortes wie folgt zusammen:

„Außer seinem Hauptberuf, der Anschaulichmachung  des […] Sternenhimmels […] soll durch beste und neueste Vorführungsapparate […] das gesamte Naturreich im Bilde vorgeführt werden; und ausgezeichnete Männer der Wissenschaft werden im Zusammenhang über die Gebiete ihres Schaffens und Forschens sprechen“.

Mit seiner Einweihung am Sonntag, den 29 April 1928 wurde das Planetarium zu einem Ort vielfältiger Kultur- und Wissenschaftsveranstaltungen. Juda Leman, der erste Planetariumsleiter, sorgte dafür, dass bereits im Mai desselben Jahres der erste kulturhistorische Vortrag und im Oktober das erste Klavierkonzert gegeben wurde. Im Dezember wurde die „Kulturfilmbühne“ eingerichtet. Bis zur Einführung der Tonfilme um 1930 wurde das Planetarium bei Filmvorführungen mit einer Orgel beschallt.

Beim vorletzten Angriff der alliierten Bomberverbände auf Hannover am 25. März 1945 geriet das Planetarium in Brand und wurde durch das Feuer unwiederbringlich zerstört.